Das Lächeln im Spiegel
Clara liebte Antiquitätenläden. Es gab etwas Magisches an diesen Orten, eine Atmosphäre, die Geschichten von vergangenen Leben erzählte. Als sie an diesem regnerischen Nachmittag in einen unscheinbaren Laden in einer Seitengasse trat, spürte sie sofort, dass dieser Ort anders war. Der Laden war still, abgesehen vom leisen Tropfen des Regens, der auf das Fenster fiel. Der Geruch von Staub und altem Holz lag in der Luft.
Der Ladenbesitzer, ein alter Mann mit tiefen Falten und einem geheimnisvollen Lächeln, begrüßte sie knapp. Sein Blick folgte ihr, während sie sich durch die engen Gänge voller verstaubter Schätze bewegte. Doch Claras Aufmerksamkeit wurde sofort von einem großen, goldgerahmten Spiegel angezogen, der an der Rückwand des Ladens stand.
Der Spiegel war wunderschön. Der Rahmen war mit filigranen Gravuren versehen, die kleine, grinsende Gesichter zeigten, so detailliert, dass sie fast lebendig wirkten. Das Glas selbst hatte eine unheimliche Klarheit, als könnte es mehr als nur ihr Abbild zeigen.
„Ein außergewöhnliches Stück“, sagte der Ladenbesitzer plötzlich und trat hinter ihr auf. „Aus einer alten Villa, deren Besitzer... nun, sagen wir, sie hatten eine gewisse Vorliebe für Geheimnisse.“
Clara lächelte höflich, doch ein leichter Schauder lief ihr über den Rücken. Trotzdem konnte sie sich nicht davon abhalten, den Spiegel zu kaufen. Irgendetwas daran zog sie magisch an.
Zu Hause stellte Clara den Spiegel in ihr Schlafzimmer, direkt gegenüber von ihrem Bett. Als sie sich selbst darin betrachtete, wirkte ihr Abbild seltsam. Nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig. Die Linien ihres Gesichts schienen im Spiegel minimal verändert, als ob sie ein winziges, kaum wahrnehmbares Lächeln trug, auch wenn ihre Lippen in Wirklichkeit entspannt waren.
„Nur Einbildung“, murmelte sie und ging schlafen.
In der ersten Nacht träumte Clara von dem Spiegel. Sie stand nackt davor, und ihr Spiegelbild lächelte. Nicht freundlich, sondern hungrig. Langsam hob es eine Hand, als wolle es die glatte Oberfläche durchbrechen. Clara wachte schweißgebadet auf, doch der Spiegel war wie immer – regungslos und stumm.
Am nächsten Morgen bemerkte sie es. Das Lächeln im Spiegel war real. Es war nur ein Hauch, ein kleiner Zug in den Mundwinkeln, der definitiv vorher nicht da gewesen war. Sie versuchte, es zu ignorieren, aber ihr Blick wanderte immer wieder zum Spiegel. Je länger sie hinsah, desto sicherer war sie: Das Gesicht im Spiegel lächelte weiter, während ihr eigenes angespannt und nervös blieb.
Mit jeder Nacht wurde es schlimmer. Clara begann, Geräusche zu hören. Ein leises, kratzendes Kichern, das aus der Richtung des Spiegels kam. Eines Nachts wachte sie auf und sah, wie ihr Spiegelbild sie direkt ansah. Sie selbst hatte sich nicht bewegt, doch das Abbild in der Spiegelfläche stand an der Scheibe, als würde es sie beobachten.
Panik kroch in ihr hoch. Sie warf ein Tuch über den Spiegel und beschloss, ihn am nächsten Tag loszuwerden.
Doch der nächste Tag brachte keinen Frieden. Clara brachte den Spiegel in den Keller und sperrte die Tür ab. Doch in der Nacht hörte sie ein Klirren. Sie schlich die Treppe hinunter, das Herz hämmerte ihr bis zum Hals. Der Keller war dunkel, doch das Tuch lag auf dem Boden. Der Spiegel stand wieder aufrecht, unversehrt. Ihr Spiegelbild grinste sie an – breiter als je zuvor.
„Das ist unmöglich“, flüsterte sie und wich zurück.
Plötzlich bewegte sich ihr Spiegelbild. Es hob die Hand und winkte ihr zu. Clara schrie, als die Spiegelfläche sich wellte, als wäre sie flüssig. Das Abbild trat einen Schritt aus dem Spiegel heraus.
Am nächsten Morgen fanden die Nachbarn Claras Wohnung verlassen vor. Ihr Schlafzimmer war verwüstet, doch der Spiegel stand unberührt an seinem Platz. Das Glas war wieder makellos, und das Spiegelbild zeigte lediglich den leeren Raum. Niemand bemerkte die winzigen, lachenden Gesichter im Rahmen, die nun neue Details aufwiesen – ein Gesicht, das Claras Züge trug, lachte fröhlich unter all den anderen.
Kommentare:
MirrorPhobic: Ich habe alle Spiegel in meiner Wohnung abgehängt. Besser sicher als tot.
Skeptic2000: Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht? Frage für einen Freund...
NightWatcher: Der Autor hat seit 3 Tagen nicht mehr geantwortet... Hoffe, alles ist ok.
ParanormalHunter: Die Geschichte mit den warmen Spiegeln hatte ich auch schon. Gruselig.